Vier entspannte Tage erholen wir uns in Jeddah. Der gefährlichste Teil der Reise ins Mittelmeer liegt hinter uns, ab jetzt dräuen nur noch Wind und Welle, kein menschengemachtes Unheil mehr.
Ich komme mir in Jeddah vor wie auf einem anderen Stern. Das schlichte, afrikanische Djibouti hat irgendwie besser zu den Strapazen dieser Reise gepasst, als diese Hochglanz-Marina. Alle Menschen die wir kennen lernen, Saudis und viele Expats, sind super nett und hilfsbereit. Alles ist so sauber, adrett und so gut organisiert. Innerhalb einer Stunde sind wir einklariert, mit Zoll und Allem, das ist Rekord seit Polynesien!
Bei Saudi-Arabien haben alle gedacht: Kopftuch für Jana und kein Bier mehr, bis wir wieder weg sind…pffff!
Natürlich waren wir dezent. Weder bin ich im Minikleidchen rumgerannt, noch haben wir unser Bierchen der Öffentlichkeit gezeigt, aber es war alles völlig entspannt. Dem Zoll haben wir selbstverständlich korrekte Angaben über unsere Alkoholvoräte gemacht und die einzige Reaktion war ein freundliches „Thank you“. Keine Rede mehr davon, alles bis zum Ausklarieren zu versiegeln, so wie es vor nicht allzu langer Zeit noch war. Man möchte den Tourismus und macht Zugeständnisse, wo es nur möglich ist.
Ich habe alleine einen Spaziergang zur nächsten Moschee gemacht und niemand hat einen zweiten Blick auf die lange Frau ohne Kopftuch geworfen. Im Frauenbereich der Moschee wurde ich mit Gesten sogar freundlich aufgefordert, näher zu kommen und mir dies fröhlich, freundliche Gewusel aus Kindern, plaudernden und betenden Araberinnen näher anzuschauen. Eine schöne Erfahrung in angenehmer Atmosphäre, auch wenn mir der Anblick meiner Geschlechtsgenossinen in Burkas doch sehr, mhh, ungewohnt ist.
Das Hafenwasser ist so sauber, dass wir in der Marina schwimmen gehen können und ich ein letztes Mal bei 30 Grad Wassertemperatur den Rumpf putzen kann. Dann machen wir uns fertig für die zweite Etappe Rotes Meer.
Leider haben wir kein permit für Saudi bekommen, das heißt wir dürfen offiziell nicht außerhalb der Marina an der Küste ankern. Also direkt Kurs Ägypten! Dort gibt es ein paar Buchten, in denen Segler, wie wir im Transit zum Kanal ankern dürfen, ohne einklariert zu haben.
Es wird erst mal so richtig ätzend. Tag und Nacht voll gegenan, nicht nur Wind auch zwei bis drei Knoten Strömung. Ein einziges Gehake und Gestampfe ist das. Zehn Knoten Fahrt durchs Wasser, aber nur sieben über Grund. So habe ich mir das Rote Meer immer vorgestellt und deshalb wollte ich eigentlich nie hier durch.
Als der Wind endlich aufhört wird es auch nicht viel besser. Denn er wird nicht einfach weniger oder dreht in eine etwas komfortablere Richtung, nein er stirbt einfach komplett. Also ist wieder motoren angesagt. Na gut, das kennen wir ja schon und immerhin sind die Kinder glücklich, weil es nicht mehr schaukelt und ich muss mich beim Kochen nicht mehr festklemmen, um die Hände frei zu haben.
Es wird auch deutlich leiser! Man kann sich das gar nicht so vorstellen, was für ein Krach während des Segelns in rauer See herrscht! Es rauscht ganz laut, die Wellen brechen vor die Rümpfe mit einem lauten KLONG und überall gnarzt und rumpelt es.
Bläst nur der arabische Wind (sprich: uns treibt Diesel an), ist es bei uns, dank der Elektromotoren deutlich leiser, aber auch deutlich langsamer und ärgerlicher. Wir wollen schließlich segeln und ankommen, nicht Sprit verbraten und bummeln!
Nach vier Tagen erreichen wir schließlich Soma Bay. Die Wettervorhersage ist etwas unklar (und stimmt sowieso häufig nicht), aber ein, zwei Tage am Anker erholen, ist bestimmt drin. An Land dürfen wir natürlich nicht, aber wir können Lebensmittel und erfreulicherweise auch Bier bei Ibrahim bestellen und er bringt es uns an Bord.
Die Bucht ist riesig, berühmt bei Wind- und Kitesurfern und vom Wasser aus schön bis auf die Bauruinen. Wir versuchen es mal wieder mit Radio und staunen nicht schlecht, einen deutschen Sender rein zu bekommen! Radio Soma Bay mit netter Musik und lokaler Werbung – nicht schlecht!
E2 kommt an und wir reichen einen Beutel Eiswürfel rüber, damit sie sich einen standesgemäßen Manöverschluck gönnen können.
Die beiden Italiener düsen früh am nächsten Morgen weiter, wir erst etwas später. Die Bedingungen draußen auf See sind besch…eiden. Nach knapp zwei Stunden beschließen wir, umzudrehen und auf besseres Wetter zu warten. So was haben wir nur äußerst selten mal getan, daran kann man sehen, wie fies es war.
Mollie, unser zufälliges buddy-boat seit Indien, kommt am nächsten Morgen an und ankert neben uns – nein, ihre Nachfahrt bis zur Soma Bay war wahrlich kein Spass. Auch sie bleiben fürs erste, bis der Wind nachlässt. Wir verbringen einen lustigen Abend zu Acht bei uns (zwei nicht einklarierte Crews dürfen sich besuchen!) und organisieren die Lebensmittelbestellung gemeinsam.
Vier Tage bleiben wir und schauen den wenigen Surfern zu, die auch bei 30 Knoten Wind noch dahinrasen. Uns jucken die Segel, aber wir können ja nicht voll gegen den Wind…
Endlich geht es weiter. Noch 130 Meilen bis Suez. Der versprochene Südwind bleibt aus, wir Motoren mit mickrigen 4 Knoten und ärgern uns gerade darüber, als es in der Kinderecke plötzlich verdächtig still wird. Ich bin schon vorahnend auf dem Weg, als Paul geflitzt kommt: „Mami! Schnell! Michel blutet ganz doll!“ Nicht doch! Fordert denn wirklich jeder Ozean ein Blutopfer von unseren Kindern? Es scheint fast so und ist bei uns schon ein makaberer Running Gag.
Er ist rücklings auf eine Holzkante geknallt und hat eine große, fiese Platzwunde am Hinterkopf. Armer, kleiner Kerl. Das tut weh! Und ich brauche auch ein Weilchen um die Blutung zu stillen und alle Haare weg zu machen.
Zum Glück ist Marco noch an Bord, weiß noch wo das Wund-Kit ist und assistiert. Da sieht man mal wieder, wie wichtig eine gründliche Sicherheitseinführung mit jeder neuen Crew ist! Auch Paul hält sich prima, beruhigt und lenkt Michel ab, bis drei große Klammerpflaster die Wunde sauber verschlossen haben. Noch ein schöner Verband und der kleine Patient wagt schon wieder ein erstes Lächeln.
Einer unserer Ärzte-Freunde ist gleich am Telefon und gibt grünes Licht für eine Weiterfahrt nach Suez, da keine Anzeichen für Gehirnerschütterung oder Ähnliches vorliegen.
Man man man. Als wäre nicht alles schon anstrengend genug!
Wenigstens schenkt uns Aeolos einen letzten schönen Segeltag mit Südwind wie vorhergesagt und Wingaker vor dem Bug.
Am Mittwoch den 17. April um 19.30 Uhr erreichen wir den Suez Yacht Club.
!!! Wir haben das Rote Meer bezwungen!!! Yippiehyahyeh!!!
Noch zwei mal je einen Tag durch den Suez Kanal, dann werden wir wieder im Mittelmeer sein. Was für ein Ritt bis hierher! Ich wundere mich wirklich, warum wir immer noch keine grauen Haare haben…