
Die See lehrt einen wirklich Demut. Wenn man sich hinauswagt, in das weite Blau, kann man sich nie sicher sein, was einen wirklich erwartet.
Die modernen Wettervorhersagen bieten viel, man kann auf jeden Fall vermeiden, sich ernsthaft in Gefahr zu bringen, aber das Quäntchen, das zwischen dem Rausch durch See und und Wind zu pflügen und dem genervt, gestresstem Lass-es-doch-endlich-vorbei-sein liegt, das kann keiner voraussagen.
Nackte Zahlen zeigen Dir, es ist zu viel Wind für das große Segel. Aber für wie lange? Nach der Regenzelle, nach dem Kap, wird es sich bestimmt wieder einpendeln… Und wenn nicht, haben wir uns und das Material viel zu lange strapaziert. Mach doch noch ein bisschen weiter auf, JD, um den Druck rauszunehmen, dann können wir noch 20 Minuten warten und kommen vielleicht doch noch vor Mitternacht an.
Ich starre auf die ewigen Wellen im Sonnenuntergang. Nie sind sie perfekt. Zu steil, zu kurz, zu seitlich, denn bei spiegelglatter See gibt es natürlich keinen Wind zum segeln. Also nimm es wie es kommt und mach das Beste draus. Schlimmer geht immer!
…und hier werden ich in meinen Gedanken unterbrochen. Der Gennaker muss jetzt wirklich eingeholt werden. Ich vermisse ein bisschen Carlos, das Ganze war so viel leichter zu viert, obwohl wir natürlich auch alleine klarkommen. Aber Carlos und Julie sind ja schon lange wieder auf ihrer LOLA in Tahiti, haben eine Menge Reparaturen erledigt und starten jetzt mal wieder eine Runde auf die anderen Inseln. (Sie konnten im Dezember, nach einer Woche Quarantänehotel und viel Organisierens, über Fiji, zurück nach Tahiti fliegen.)
Auf jeden Fall hat sich das Warten auf den richtigen Wind gelohnt! Am ersten Tag, von Southport nach Byron Bay, sind wir noch viel mit Motorunterstützung gesegelt. Die 47 Meilen haben wir aber gut geschafft und konnten, kurz nach Sonnenuntergang, den Anker fallen lassen. Byron Bay ist nur mäßig geschützt und die Nacht war ganz schön schaukelig, aber hey, allemal besser als Nachtwache schieben zu müssen!

Von dort sind wir nach dem ersten Kaffee aufgebrochen. 110 sm bis Coffs Harbour sind auch unter besten Bedingungen kein Pappenstiel. Wie geplant haben wir ca. 5 sm vor der Küste, den OAS, den Ostaustralischen Strom erreicht und sind bei netten 15 kt Wind mit Gennaker flott nach Süden geschoben worden.
Wie erwähnt musste das große Tuch am späten Nachmittag wieder rein, aber auch nur mit Genua, haben wir es geschafft mit etwa 20 Knoten scheinbaren Wind noch kurz vor Mitternacht in Coffs Harbour Bay einzulaufen. In die Marina sind wir mitten in der Nacht natürlich nicht mehr. Ankern in der großen Bucht, war zum Glück easy und schnell getan. Noch ein gute Nacht Schlückchen und dann ab ins Bett. Tatsächlich war ich den ganzen nächsten Tag total erschöpft, von den zwei Tagen auf See. Man verweichlicht doch ganz schön, wenn man mal zwei Monate nicht ordentlich gesegelt ist!
Die Jungs haben es recht gelassen genommen, auch wenn Michel natürlich keine Chance hatte, Seebeine zu entwickeln. Spannende Hörbücher und ein großer Topf pürierte Kartoffelsuppe, mit dem Strohalm genossen, hilft über viel Ungemach hinweg.
Am nächsten Tag haben wir uns in die Marina verholt – und nicht zu früh! Der erwartete Regen kam und blieb mit aller Heftigkeit! Wie gut, dass die Kuchenbude wieder einsatzfähig ist!
Der Kontrast von hier zur Gold Coast könnte kaum größer sein. Kleine Segler mit Rostnasen und Fischkutter, statt Luxus Motoryachten. Bäume, Strand und ein kleines Städtchen statt Villen und Hochhäusern. Die Nachbarlieger sind freundlich, ein Deutscher kam zum Hallo-sagen vorbei, weil er unsern Akzent beim Funken erkannt hat und nachmittags schnauft immer ein alter, großer Delfin vor uns herum. Der Regen war echt heftig, konnte uns aber nicht davon abhalten, abends zum Italiener zu gehen. Auch hier endlich nette Tischnachbarn, mit denen wir uns lange und lustig unterhalten haben.


Die Waagschale wäre schön ausgewogen gewesen, wenn nicht erst Putin und dann der Generator gewesen wäre. Als wir um 22 Uhr nach Hause kamen, war letzterer nämlich nicht angesprungen. Das hättet er aber tun sollen! Dieses vermaledeite Mistding, irgendwann muss doch mal gut sein!
Also lassen wir die Jungs noch ein bisschen was gucken und gehen, noch mit dem italienischen Wein im Kopf, auf Fehlersuche. Alleine kommen wir nicht dahinter und laut Batterieladestand können wir am nächsten Morgen kaum die Kaffeemaschine anschmeißen. Also ist kritisches Niveau erreicht und wir rufen bei Fischer Panda in Paderborn an. Mit telefonischer Unterstützung misst JD die Spannung am Kontrollpaneel drinnen und an verschiedenen Stellen des Generators draußen. Irgendwas stimmt nicht, aber was? Die Werte sind nicht konstant. Aber die Fühler von unserem Messinstrument sind auch ziemlich dick – vielleicht kommen sie nicht richtig an die Messpunkte heran? Mit vier Händen ziehen wir vorsichtig die Kabel aus den Buchsen und messen noch mal. Ich lerne viel! Auf der 1 ist der Strom, auf der 10 der Anlasser und 9 die Dieselpumpe. Will man wissen ob Spannung am Kontrollpaneel anliegt, muss man die Klemme 1 gegen die 2 messen.
Hah! Diesmal messen wir dort eindeutig 12 Volt. Das heißt, das Paneel, also der Ein/Aus Schalter selber, muss abgeraucht sein!
Noch bevor der Herr am Telefon sagt, dass sie diese Dinger nicht mal in Paderborn auf Lager hätten, sehe ich uns schon sechs Wochen in Coffs Harbour auf ein Ersatzteil warten. Man man man.
Mittlerweile ist es Mitternacht. Die Kinder habe ich längst ins Bett gebracht und wir können jetzt auch nichts mehr tun. Also kriechen auch wir geknickt in die Federn. Irgendwo muss ich auch noch Nescafé für solche Notfälle haben.
Wer mitdenkt, fragt sich vielleicht, warum wir nicht einfach Landstrom einstöpseln. Das sich die Batterien bei dem Wetter nicht über Solar laden ist klar, aber in einer Marina gibt es schließlich Steckdosen für Boote! Tja, leider sind das aber australische Steckdosen und wir haben nur europäische und Panama Stecker an Bord.
So macht sich denn JD, am nächsten Morgen, auf die Suche nach einem Elektriker. Kurz nach dem Mittag kommt auch tatsächlich ein Netter und hilft sofort. Zack zack hat er einen Aussi Stecker an unser Kabel gebastelt und wir haben wieder Landstrom. Dann fummelt er kleine Kippschalter an die losen Kabel, die eigentlich in dem Generatorpaneel stecken sollten. Jetzt kann man den Generator manuell kurzschliessen, ohne blanke Kabel aneinander zu halten, auch wenn man das natürlich auf keinen Fall tun sollte – aus sicherheitstechnischer Sicht und so.

Erster Funktionstest: Anlasser EIN und… nichts tut sich. Also geht der Messmarothon noch mal von vorne los. Gestern war hier doch noch Strom drauf! Bestimmt! Starterbatterie, Hauptschalter, Sicherungen die wir noch gar nicht kannten… und auf einmal hat er es! Bei dem großen Hauptschalter des Generators im Motorraum haben sich die Schrauben, welche die Kabelschuhe an die Kontaktflächen pressen, im Schaltergehäuse gelockert. Wir waren gar nicht zu blöd zum messen, da war einfach ein Wackelkontakt drin! Und das Beste ist, das Kontrollpaneel ist gar nicht kaputt! Alles wieder gut!
Wir sind also frei, jederzeit weiterzusegeln, wenn der Wind passend ist und die Mannschaft wieder los will.
