Auf den Marquesas

16.Juni

Eigentlich wollte ich heute mit den Jungs an den Strand und mal wieder so richtig ausgiebig im Wasser planschen, schwimmen und im Sand toben. Unser neuer Ankerplatz vor Ua Pou ist dafür ideal. Wir liegen mit drei anderen Seglern in einer fast runden Bucht, gut geschützt durch eine kleine Mole. Vielleicht ein Viertel der Bucht ist Sandstrand, auf dem sich jetzt, an einem Sonntag Nachmittag, das halbe Dorf zu tummeln scheint. Das Wasser ist viel klarer und einladender als vor Taiohae auf Nuku Hiva und ich hatte mich schon richtig gefreut, da ich tatsächlich das letzte mal auf Galapagos, vor etwa vier Wochen, schwimmen war.

Dank eines blöden Felsbrockens auf der Strasse, der im Schattenspiel eines Baumes Mimikry auf dem Schotter gemacht hat, liege ich jetzt hier rum und kühle meinen großen Zeh, statt die Strandtasche zu packen. Schlimm genug, dass ich ein Viertel des Nagels verlieren werde, aber zwei, drei Tage nicht ins Wasser zu können, ist im Moment echt gemein!

Natürlich hätte man auch in Taiohae ins Meer gekonnt. Geri war stundenlang drin und hat die Pami, die LADY und noch ein Boot geputzt, ohne das ihn ein Hai angeknabbert hätte. Aber mir war es doch etwas gruselig, nachdem ich den Fischern am Pier zugeschaut habe. Die schmeißen natürlich beim Fische putzen alle Abfälle ins Meer und, was auf Galapagos die Seelöwen und Pelikane so erfreut hat, macht hier die Haie glücklich! Fünf kapitale Burschen habe ich beim Freßrausch beobachtet. Keiner der gefährlichen Drei (Bullen-, Tieger-, oder Weißspitzenriffhai) war dabei, und weit draußen, bei den Yachten, hat sich ihr Mütchen sicherlich soweit abgekühlt, daß sie eine humanoide Pobacke bestimmt nicht mehr mit einem verletzten Kugelfisch verwechselt hätten. Dennoch haben wir uns lieber nur mit der Decksdusche und viel Pampelmusensaft erfrischt!

Die Pampelmusen sind hier nämlich einfach nur großartig! Es sind noch nicht die riesigen, eiförmigen Pomelos, die mancher vielleicht kennt, aber sehr nahe dran. Süß und saftig, mit nur einem hauch Bitter, so dass man jeden Tag eine Essen oder trinken möchte. Auch Mangos und Papayas gibt es wieder in Hülle und Fülle. Daneben sind Brotfrucht und Manyok als Beilagen zu Schwein- oder Ziegenfleisch, das Nationalessen. Meistens sehr köstlich, ist die Art das Fleisch mitsamt Knochen und Allem in den Topf zu schubsen, immer noch eine Herausforderung für uns.

Die erste Woche in französisch Polynesien ist schnell vergangen. Wir haben die Insel erkundet, alte und neue Bekannte getroffen, uns nach der Passage ausgeruht und mal wieder körbeweise Obst und Gemüse gebunkert.

Gestern ging es dann, zusammen mit Lady Jane, zur Nachbarinsel Ua Pou. Leider war auch diese Passage weit von dem entfernt, was uns immer als traumhaftes Südsee-Segeln beschrieben wurde. Viel zu viel Wind und Welle, natürlich immer aus der falschen Richtung, haben uns einige, sehr ungemütliche, Stunden beschert.

Vor Anker hier, ist es immer noch schaukelig und unruhig. Übermorgen wollen wir uns gemeinsam auf zu den Tuamotus machen. Eine drei Tages Passage, die SERENITY und OLENA gerade hinter sich gebracht haben und deren Bericht uns nicht gerade vor Vorfreude glühen lässt.

Internet gibt es hier, es ist aber ziemlich bescheiden. Daher werden meine Blogs vorerst ohne Fotos auskommen müssen. Das Wifi in den Restaurants ist nicht viel besser als unsere gekauften SIM Karten. Aber mit den Karten können wir nicht nur WhatsAppen, sondern auch lokal telefonieren. So ankern wir hier, irgendwo im Nirgendwo, neben Lady Jane und anstatt rüber zu schwimmen oder zu funken, rufen wir sie einfach an!

So ein richtiges Robinson-Gefühl kommt dabei irgendwie nicht mehr auf…

Sporadisches Logbuch der Pazifiküberquerung

Tag 1

Am 17.05.2019 um 11.20 Uhr gehen wir Anker auf vor Galapagos. 2974 Seemeilen bis zu den Marquesas liegen vor uns. Alle sind glücklich, dass es endlich los geht und wir sehen dieser, für JaJapami längsten, Ozeanpassage ganz gelassen entgegen.

Um die Tragweite des Ganzen in aller Deutlichkeit noch einmal aufzuzeigen, möchte ich mich des Ausdrucks einer unserer Mitsegler bedienen: „ Oh shit, 3000 Meilen ist echt eine ver..piep..piep, mega Strecke!“

Tag 4 (noch 2579 nm) auf dem Weg zu den Marquesas ist angebrochen. Die Sonne ist eben dramatisch, vis-a-vis mit dem silbernen Vollmond, aufgegangen. Wir fliegen mit 9-10 Knoten, bei halbem Wind unserem Ziel entgegen. So macht segeln Spaß!

Tag 6, noch 2233 nm.

Wir kommen bestens voran. Schon zwei Etmale über 180 Seemeilen. Zum Vergleich: an Tag 2 hatten wir die Passtwinde noch nicht erreicht und sind nicht über 100 nm gekommen. Die Stimmung an Bord ist prima, die Jungs toben fröhlich um mich rum und üben mit Stäbchen zum essen. Das kommt nicht von ungefähr: wir haben einen schönen, großen Mahi Mahi (oder Dorado, Dolphin-Fish, Goldmakrele, Kynegos… auf jeden Fall der Fisch mit den meisten Namen, den ich kenne) gefangen. Als erstes gab es Cevice, das haben auch Paul und Michel richtig gerne gegessen. Abends dann den Schwanzteil vom Grill (sehr zart!) und gestern hat sich Geri zwei Stunden in die Küche gestellt und Sushi zubereitet! Maki mit Avokado, Gurke und Fisch, Nigiri und nochmal das wunderbare Cevice. Eine echte Meisterleistung, und wir haben geschlemmt, bis wir fast geplatzt sind. Für einmal Fischstäbchen und Suppe ist auch noch genug im Tiefkühler. Das ist auch gut so, denn das Riesenvieh hat sich einen solchen Kampf mit dem Käpt’n geliefert, das die Angelrolle kaputt gegangen ist. Wir brauchen also erstmal Zeit um ein neues Equipment zusammen zu stellen, da ja die gute Angel in Galapagos geklaut wurde.

Das zweite Highlight bislang, geht auch auf Geris Konto: er hat, mit begeisterter Hilfe von Paul, die Siedler von Catan aus Pappe, Korken und Farbe nachgebaut. Es ist ein wunderschönes Spiel geworden und hat uns schon viele Stunden bestens unterhalten.

Über Langeweile können wir uns auch sonst nicht beklagen. Neben navigieren, kochen, putzen, Schule und Kinder bespassen, gibt es immer wieder kleine Reparaturen zu meistern. Gestern haben wir zum Beispiel endlich, das kleine Leck im Spiegel vom Backbordrumpf entdeckt. Da meist recht ordentlicher Seegang ist, bis zu drei Meter Welle mit Schaumkrönchen, wird die kleine Badeplattform fast ständig überspült. Dadurch konnte JD endlich, nach über einem Jahr, die Stelle finden, durch die manchmal Wasser in den Motorraum eindringt. Zum Glück ist unsere Crew nicht ganz so groß wie der Käpt’n und so konnte sich Cyrill in den kleinen Raum schlängeln, und alles von innen abdichten.

Apropos abdichten: Pauls Platzwunde verheilt auch völlig problemlos. Er war einen Tag vor Abfahrt, beim Rumhampeln, auf die Kante vom Wohnzimmertisch geknallt und ich musste seine Stirn mit drei Steristrips wieder zusammenkleben. Zum Glück war auch diesmal Nähen nicht nötig und ich konnte mir Rat von Johanna, der Kinderchirurgin, holen. Die CHASING WATERFALLS ankerte nämlich direkt neben uns und wir hatten schon fast das Gefühl, es herbei geredet zu haben, da wir am Mädelsabend einen Tag vorher alle Kinderunfälle unserer Reisen durchgehechelt hatten. Man, man, man.

Tag 12, noch 1386 nm

Wir kommen gut voran, aber man könnte sich die Bedingungen deutlich komfortabler vorstellen. Der Anfangs so friedliche, blaue Ozean, zeigt mittlerweile eindeutig Nordseeattitüden. Eine hohe, steile Welle aus Südost mit dem alten Schwell aus Süd noch oben drauf. Dazu Wolken mit gelegentlichem Niesel und alles in tristem Graublau gehalten. Naja, was soll’s. Wir haben ja alle 6 ordentlich stabile Seebeine mittlerweile, es hat immer noch fast Bikini-Temperatur und die Pami schiebt für diesen Seegang eine angenehm stabile Lage.

Nur unter Genua, denn das Groß würde bei den Wellen ganz schön scheppern, machen wir konstante 7 Knoten. Etmale zwischen 130 und 170 Seemeilen sind ganz gut, allerdings hatte uns die ursprüngliche Wettervorhersage auf deutlich bessere Bedingungen hoffen lassen.

Gestern war Bergfest – Halbe Strecke geschafft! Zur Feier des Tages gab es eine Schnitzeljagd für die Jungs und abends ein köstliches Dattelhuhn aus dem Ofen. Könnte wahrlich schlechter sein.

Tag 14, noch 1109 nm

Neues von der deutschsprechenden Kinderflotte: Die CHASING WATERFALLS ist weiterhin zwei bis drei Tage hinter uns. BELUGA ist etwa eine Woche nach uns gestartet und segelt weiter südlich, da sie sich noch nicht entschieden haben, ob sie wirklich zu den Gambier-Inseln, oder doch uns Richtung Marquesas folgen wollen. ALKYONE hat ihren Weg über die Osterinseln und Pitkern nach Gambier erfolgreich gemeistert und ist dort fast zeitgleich mit SAGO angekommen. OLENA und SERENITY (ohne Kinder aber deutsch 😉 sind schon vor über drei Wochen auf den Marquesas angekommen. Das gleiche gilt für unsere drei britischen Crews, wobei die LADY JANE auf den Marquesas warten will bis wir angekommen sind.

Mit allen stehen wir mehr oder weniger regelmäßig in Sat-Email Kontakt.

Tag 17, noch 649 nm

Ein Tag schön, ein Tag nicht so doll, ein Tag konstante 20 kt unter blauem Himmel, der nächste böig mit Nieselregen und steiler Welle. Seit Tagen ist das einzig konstante am Wetter, dass es nicht konstant ist. Wir haben von Booten gehört, die 2000 sm mit den gleichen Segeln gemacht haben und kaum mal die Stellung verändern mussten. Wie langweilig! Wir haben jedes Stückchen Tuch, das wir an Bord haben, schon mehrfach gesetzt und geborgen! Auch unsere Etmale variieren zwischen 120 und 170 nm.

Vorgestern war aller Fisch aufgegessen und wir haben die Angeln wieder rausgehängt. JD und Geri haben sich tatsächlich ein interessantes Konstrukt einfallen lassen um das Handrad in Richtung einer Angelrolle aufzupimpen. Das Problem ist nämlich, dass wir dauernd Köder verlieren, da die Fische einfach zu groß sind. Bei einer richtigen Angel, puffert die Bremse an der Trommel, starken Zug und einen heftigen Ruck ab. Am Handrad ist am Ende nur ein Meter Gummiband. Ist das ausgedehnt und der Fisch stark genug, reißt die Leine und ein weiterer Fisch kreuzt den Ozean mit einem fetten Pearcing im Gesicht…

Jetzt sitzt das Handrad auf einer großen Papprolle, durch die ein lager Bambus gesteckt und verkeilt ist. Der Fisch kann mit variabler Bremswirkung Leine ziehen und wenn er sich müde gekämpft hat, sollte man ihn problemlos an Bord ziehen können. Soweit die Theorie. In der Praxis brauchte es zumindest einen Testlauf: Kurz vor Sonnenuntergang waren alle Mann damit beschäftigt, den Wingaker, das riesige, grüne Leichtwindsegel, zu bergen, als erst die Angel surrte und dann das Glöckchen am Handrad zu bimmeln begann! Der arme Paul konnte nur Alarm geben und musste dann tatenlos zusehen, wie sich beide Fische wieder losgerissen haben, bis einer von uns kommen konnte!

Zum Glück gab es das gleiche Schauspiel am nächsten Abend wieder und wir waren alle zur Stelle und bereit. Zwei wunderschöne Mahi Mahis, Männchen und Weibchen, haben gleichzeitig angebissen und liegen jetzt sauber filetiert im Tiefkühler.

(Für Segler und Biologen: Wir haben gelesen, dass sie Parasiten haben können und man sie daher nicht sofort als Sushi essen soll. Also haben wir, wie beschrieben, den Magen von innen untersucht. Tatsächlich waren bei dem Männchen einige, ca. 4 mm lange, lebende, festgehakte Würmer zu finden. Sashimi gab es also nur vom Weibchen, und auch das hatten wir zuvor 24 hrs tiefgekühlt. Falls jemand mehr darüber weiß, würde ich mich sehr über Rückmeldungen freuen!)

Tag 18, noch 524 nm

Ein paar Tage noch, dann sind wir da. Wird auch langsam Zeit.

Tag 19, noch 350 nm

Gestern hat sich der Generator verabschiedet. Das gehört eindeutig zu den worst-case-Szenanarien, die JD und ich für eine Ozeanüberquerung durchdiskutiert haben! Autopilot, Generator, Wassermacher sind die Top Drei der schlimmsten Dinge die kaputt gehen können. Wobei der Generator natürlich den Strom für die beiden anderen liefert. Er ist aber selbstverständlich nicht unsere einzige Energiequelle und daher ist unsere Situation im Moment relativ entspannt. Die Solarpaneele und die Propeller haben im Laufe des Tages genug Strom geliefert, um die Batterien von 65 auf 88 % zu laden. Das ist so gut, dass wir morgen früh wohl den Watermaker anschmeissen können und ich den Landfall dann hoffentlich mit gewaschenen Haaren und sauber erleben kann!

Dazu gehört natürlich ein bisschen Glück und einige Einschränkungen im Komfort: In der Zeit, wo die Solarpaneele nicht von den Segeln beschattet werden, muss die Sonne auch kräftig scheinen und wir brauchen genug Wind, um mit mindestens 7 Knoten segeln zu können, damit die Propeller vernünftig Energie generieren. Hier sei erwähnt, das die herrschenden 20 kt Wind, in Böen auch mal 28, 30 Knoten, auch für einen ziemlich rauhen Seegang sorgen (bei manchen Wellen muss man sich auch im Sitzen kurz an der Tischkante festhalten, weil es so krass ist).

Was den Komfort angeht: der Herd, der Getränkekühlschrank, der Brotbackautomat, der Server mit den Filmen und -für mich am schlimmsten- die Kaffeemaschiene, sind erst mal ausser Betrieb. Die Inverter für 220 V sind ausgeschaltet, d.h. die normalen Steckdosen funktionieren nicht. Das 12 V Netz versorgt die überlebenswichtigen Funktionen, wie GPS, Autopilot, Navigation und würde bis zum letzten Moment funktionieren. Wir müssen nicht mal warmes Bier trinken, da unsere Vorräte soweit reduziert sind, dass im normalen Kühlschrank Platz genug ist. Das Trinkwasser wird aus dem, noch halb vollen, Tank durch einen UV-Filter gereinigt, aber auch dieser hängt an 220 V. Also haben wir heute Mittag kurz die Inverter eingeschaltet, Trinkwasser gezapft, das Notebook geladen und jeder hat zwei Kaffee bekommen. Alles in Allem bedeuten die Energiesparmaßnahmen eigentlich kaum Einschränkungen für uns.

Tag 20, noch 185 nm

Endspurt! Solange wir nicht längere Zeit motoren müssen, läuft alles im grünen Bereich. Die Essensqualität an Bord hat auch nicht weiter gelitten. Mittags machen wir Picknick und graben in allen vorhandenen Essenschaps nach vergessenen oder lange gehüteten Schätzen: spanische Delikatessen aus Vigo, Bonito in Dosen von den Kanaren oder Konserven von den Kap Verden. Abends nutzen wir den Gasbackofen und es gibt so tolle Sachen wie selbstgefangenen Mahi als Lemonato a la Pegasos.

Die Pami scheint auch ankommen zu wollen! Sie schlängelt sich mit der souveränen Entschlossenheit einer geübten Trinkerin durch eine extrem unruhige Kreuzsee, mit vereinzelten 3-4 Meter Brechern und macht dabei 8 Knoten im ersten Reff.

Tag 21, Landfall in Nuku Hiva, Marquesas!

Wir haben es geschafft! Genau drei Wochen auf See sind doch recht schnell vergangen. Der Seegang war vor allem Nachts ganz schön anstrengend, aber alles andere lief völlig problemlos. Wäre der Generator nicht gewesen, würde ich sagen: Super Überfahrt!

Das Einlaufen in die Bucht Taiohae, in Nuku Hiva, war großartig! Die Landschaft hier ist Atemberaubend, dazu die plötzliche Stille im Boot, kein Geschaukel, kein Wassertosen mehr. Vierzig andere Segler liegen hier, vor dem Hauptort der Marquesas, vor Anker. Zum ersten Mal seit langer Zeit ging die Funke: „JaJapami, JaJapami for Lady Jane!“ Da wären mir doch fast die Tränen gekommen – aber nur fast.

Nachtrag, 7. Juni

Die Pami schaukelt gemütlich am Haken neben der Lady Jane, die Jungs schaukeln in einem Mango Kletterbaum und wir vier Großen schaukeln im Wifi des Open-Air-Restaurants. JD hat heute morgen den Fehler im Generator gefunden: Alle Systeme laufen wieder!

Das Leben ist großartig.