Vier Abenteuer!

Paul rettet die Pizza

Wenn wir Pizza bestellen, wird die leider nie bis zur Tür geliefert. Bootsbewohnerschicksal. Man muss also den Lieferdienst bitten, dass er rechtzeitig anrufen soll, damit wir Zeit haben an Land zu fahren um sie entgegenzunehmen. Passiert das nicht, muss man sofort losrasen, damit nichts kalt wird und dafür sollte das Dinghi am besten schon parat liegen.

So geschehen vor kurzem, bei ordentlich Wind und auslaufender Tide. Der Anruf kommt: die Pizza ist schon am Dock! JD springt auf, löst den Festmacher, springt ins Dinghi und will den Zündschlüssel drehen. Leider steckt der aber nicht…

Ich bin derweil unter Deck und höre die ersten Rufe nicht. Und die Jungs? Die spielen Minecraft. Die würden nicht mal das Eintreffen eines Plesiosaurus mitkriegen, wenn er ihnen dabei nicht auf die Schultern klopft.

Als ich hochkomme, schallt das „Jana!!! Die Schlüssel!“ schon aus ziemlicher Entfernung über die Bucht. Ich versuche sofort hektisch die lange Schwimmleine auszubringen und gleichzeitig die Schlüssel zu suchen und die Kinder zu aktivieren. Derweil rudert der Käpt’n mit aller Kraft gegen die viel zu starke Strömung an und treibt längst ausser Reichweite der Leinen. Trotzdem schicke ich Paul, mit dem Schlüssel, auf das angeleinte Schwimmding, dem Dinghi entgegen. Einfach weil mir grade nichts besseres einfällt. Von JD kommt die rettende Idee: „Das Kayak!!!“ Also rase ich mit Michel zum Bug, löse die Befestigungen und wir schleppen es, so schnell es geht, zum Heck ins Wasser. Jetzt noch das Paddel, dann könnte ich los.

Paul hat aber zeitgleich schon das einzig Richtige getan und ist umstandslos, mit dem Schlüssel in der Hand, ins Wasser gesprungen und schwimmt seinem Papi entgegen. Die Strömung ist mit ihm, trotzdem sind 150 m kein Pappenstiel und die beiden nähern sich nur langsam.

Bevor ich einsteigen kann, sehe ich wie der Nachbarlieger hinter uns die Scene gebannt beobachtet und schon mit einem Fuß im Beiboot, bereit zur Rettung ist. An seiner Haltung kann ich die einsetzende Entspannung erkennen. Er ist näher dran und sieht, dass Paul es schaffen wird. Beruhigt entspannen auch Michel und ich uns und beobachten, wie JD den langen Festmacher in Pauls Richtung wirft. Dafür muss er aber kurz aufhören zu paddeln und der Abstand vergrößert sich wieder! Unter Aufbietung der letzten Kräfte schaffen sie es dennoch und Paul wird an Bord gezogen. Wir jubeln, während das Dinghi startet und empfangen den kleinen Held mit einem dicken Handtuch, während der Käpt’n mit voll Speed der wartenden Pizza entgegen rast.

Selten haben sich zwei von uns ihr Abendessen so hart verdient! Und die Position des Dinghischlüssels wird seitdem mit Argusaugen überwacht!

Wir werden gerammt

Vor unserem Ankerplatz in Rose Bay liegt der Woollahara Sailing Club. Oder andersherum, wir ankern gerne nahe bei dem Club, da wir alle den selben Anleger für unsere Schlauchboote nutzen. Sein Angebot ist riesig, man kann praktisch alle Arten kleinerer Segler mieten und auch jegliches Surfequipment. Dazu kommen Segelkurse, vor allem für Schulkinder, die schon Wochen im Voraus ausgebucht sind. Das weiß ich, weil ich die Jungs gerne in so einen Kurs gesteckt hätte, aber das sollte nicht sein.

Vor allem die ganz Kleinen, so sechs bis achtjährig, sind niedlich und cruisen oft in ihren Optimisten um uns rum. Eins drüber sind die Jollen, mit zwei oder drei Kids, so um die zwölf Jahre besetzt. Immer sind Schlauchboote zum anleiten und aufpassen mit dabei.

Manchmal sind alle Aufpasser auch noch ziemlich jung und nehmen es entsprechend locker…

So auch letzte Woche: Ein Rudel Kids in Jollen und die Bojen für den Übungskurs bemerkenswert nah an der Pami. Dazu viel Wind in Böen – man ahnt schon Übles. Zum Glück waren wir an Bord und haben viel Gekreische, Kenterungen und kaum kontrolliertes Gedrängel halb amüsiert, halb besorgt beobachtet. Plötzlich besonders lautes Gequietsche und Hilfeschreie direkt an steuerbord! Bevor wir irgendwie reagieren können, brettern uns drei kleine Mädchen volle Lotte in die Seite! Ich hechte zur Reling und starre in zu Tode erschreckte Hasengesichter, die langsam von uns wegdriften. Auf meinen Ruf ob alles okay wäre, gibt es zögerndes Nicken. Außer dem Schreck ist den Mädels nichts passiert. Aber die Pami hat ein paar hässliche Schrammen mitbekommen. Ausgerechnet der graue Zierstreifen, den ich im Winter so mühsam neugemacht hatte, ist ordentlich zerschrammt. Ich könnte heulen. Außerdem eine Macke im Gelcoat, die bis in Fiberglas geht. Da kann Wasser einziehen. Nicht gut.

Ein junger Guide kommt besorgt gucken und wir machen beide Fotos von den Schäden. Beim wegfahren hören wir ihn einer Kollegin zurufen: Nur ein paar Kratzer, nicht weiter schlimm. Der hat ja keine Ahnung! Um den Streifen fachmännisch zu ersetzen, muss die Pami aus dem Wasser, dazu noch Material und Arbeitskosten – das ist wahrlich keine Kleinigkeit.

Das Ende vom Lied? Ist noch nicht geschrieben. Der Club ist versichert und hat den Schaden anerkannt. Jetzt warten wir, dass sich die Versicherung meldet und werden sehen, wie und wo das repariert werden kann. Dabei braucht ein Boot eigentlich keine Hilfe um kaputt zu gehen! Das macht es ständig, an allen Ecken um Enden und ganz von alleine… Grummel, grummel.

Dashas Party

Eigentlich wollen wir an Dashas Geburtstagspicknick schon auf dem Weg nach Norden sein. Aber der Wind meint es, netter weise, anders. Die Beiden wohnen in Manly, das liegt am nördlichen Ausgang von Sydney Harbour, eine gute Stunde von unserem Ankerplätzchen entfernt.

Als klar wurde, dass wir noch da sein würden und die Gesellschaft nicht allzu groß ist, haben wir uns überlegt, dass es vielleicht ein nettes Geschenk wäre die Pami als Location zur Verfügung zu stellen. Da die Gastgeber dies auch fanden, haben wir uns also am Samstag morgen aufgemacht und gleich vor Shelly Beach in Manly geankert.

Ein hübsches Fleckchen direkt am Pazifik, einigermaßen gut durch ein Riff geschützt. Noch während ich den Anker fallen lasse, erkenne ich Matthias, der vom Strand aus auf uns zu schwimmt. Wir sind das einzige Boot – ist wohl nicht schwer uns zu finden.

Es fühlt sich alles irgendwie nach Urlaub oder Wochenende an, woran man erkennt, dass auch wir sonst so unsere Alltagsroutine haben.

Es wird ein schöner Tag: Das Picknick ist reichlich, die Gäste international und gut gelaunt. Schottland ist vertreten und England, China auch und ein Kiwi neben uns Deutschen und Dasha aus der Ukraine.

So richtig abenteuerlich wird dieser Tag nicht, trotzdem hat er sich einen Platz in diesem Blog verdient. Viele kleinere Dinge kommen zu sammen, wie zum Beispiel die Qualleninvasion des Tages, die einigen von uns die Lust am Baden versauert. So viele Mondquallen, die zum Glück kaum nesseln, hat hier noch keiner von den Ortsansässigen gesehen! Mat, Jacy und die Jungs stören sich nicht dran und planschen vergnügt. Dann machen sich die Männer auf dem Schwimmding und im Kayak auf, in die Surfwelle am Riff. Der Rest der Crew hat was zu gucken und am Ende bekommen wir ein schickes neues Kayakpaddel, da unseres diese Exkursion nicht überlebt hat. Danke Jacy!

Wir beschließen den Abend gemütlich und bringen irgendwann die letzten Gäste an den Strand zurück. Auch das ist ein bisschen abenteuerlich, genau wie es das Einsammeln war, denn Pamiti, unser großes Dinghi, durch einen Pulk Badegäste oder in finsterster Nacht, so auf den Strand zu manövrieren, dass keiner patschnass wird und wir nicht im Sand stecken bleiben, ist gar nicht so einfach.

Dann gibt es noch launige Überlegungen an Bord, ob man noch nachts, müde und angeheitert zurück motoren soll, oder lieber die Nacht im immer stärker werdenden Schwell verbringt? Der Schwell gewinnt, die Nacht ist durchwachsen. Aber was will man machen? So ist halt das Leben an Bord. Und nach dem, ich weiß nicht wievielten Abschiedsfrühstück mit Mat und Dasha, geht es zurück zur Rose Bay und damit direkt in das nächste, wesentlich spannendere Abenteuer!

Pamiti in Seenot

Sonntag vormittag, wir haben gerade Dasha und Mat am Strand abgesetzt und der Schwell ist schon recht bemerkenswert.

Keine Chance Pamiti hinten and den Davits hochzuziehen, es würde bei jeder Welle, während des Hochziehens, viel zu heftig in die Leinen einrucken! (Davit: kleiner Kranträger am Heck mit Seilzügen.) Also hängen wir es an die neue, lange Schwimmleine, um es hinter uns herzuziehen. Haben wir schon hundert mal gemacht – aber immer an der alten Leine…

Es ist etwa eine Stunde Fahrt, bis zu unserem ruhigen Plätzchen in Rose Bay. Um das Kap rum in die Einfahrt von Sydney Harbour läuft alles easy. Aber ich traue der neuen Leine nicht wirklich. Sie ist dünner als die alte und sieht schon nach ein paar Monaten leicht angescheuert aus. Die Verkäuferin hat natürlich Stein und Bein geschworen, das die Bruchlast für unsere Zwecke völlig ausreichend ist. Aber wer weiß!

Auf jeden Fall sind meine Sinne geschärft und nehmen denn auch in der Küche das leise PRRRgnn und den kleinen Ruck im Schiff wahr. Zwei Sekunden später hole ich die Schleppleine ohne jeden Wiederstand ein und Pamiti treibt langsam davon. „JD!! Das Dinghi ist ab!!!“ Mir rieselt das Adrenalin einmal durch und durch während die Pami schon in die Kurve geht und ich höre wie der Käpt’n die Genua einrollt. Wie angelt man dieses schwere Schlauchboot am besten, ohne das irgendwas kaputtgeht? Wenn der hochgestellte Motor an JaJapami entlangschrammt, haben wir noch mehr fette Kratzer und wenn ich das Dinghi an der falschen Stelle erwische, verbiege ich womöglich den Gashebel oder so was!

Mit Enterhaken und Festmacher in der Hand, weise ich die Kinder auf ihre Positionen, während Pamiti langsam Backbord längsseits kommt. Backbord: das heißt JD kann nicht einsehen was wir tun – das macht es nicht einfacher.

Ich entscheide mich, ganz hausfraulich, fürs Häkeln: Leinenschlaufe über den ganzen Steuerstand werfen und, während Paul das lose Ende hält, mit dem Enterhaken durch den Edelstahlbügel häkeln. Michel hält derweil den Motor in Auge. Es gelingt im dritten Versuch: Pamiti ist provisorisch gesichert!

Aber so können wir nicht fahren und bei dem Seegang haben wir auch kaum eine Chance die Schleppleine wieder an der Öse ganz unten anzubringen. JD entscheidet prompt: er fährt das große Boot, ich das kleine. Wir treffen uns am Ankerplatz. Schluck. Na gut, ist wohl die beste Lösung. Schnell schnappe ich mir Sonnenbrille, Hut und Funkgerät und springe beherzt ins Dinghi.

Diesmal steck der Schlüssel zum Glück und wir lösen sofort die Leinen, damit nicht doch noch was kaputt geht. Motor starten und ein Blick in die Runde: da ist der Ozean, aber… „JD! Wo muss ich hin?“ „Nach Rose Bay!“. Toll. Das weiß ich auch, aber ist das jetzt da hinten links, oder wo? Kein Telefon und die Funke liegt immer noch auf den Stufen der Pami. Nun gut, das werde ich schon finden, im Notfall muss ich der Küstenlinie folgen und Umwege machen. Also gebe ich langsam immer mehr Gas, bis Pamiti mit dem Bug runtergeht und ins Gleiten kommt. 12 bis 16 Knoten vielleicht. Geht gar nicht! Ich fliege über den nächsten Wellenkamm und krache dahinter ins Tal das es nur so rumst. Gas weg und nochmal schön vorsichtig, Schrittgeschwindigkeit ist prima, aber dann brauche ich ewig und werde mich total verbrennen. Außerdem ist um mich rum wieder eine Segelregatta und ich muss oft und schnell ausweichen können. Mittleres Tempo mag Pamiti nicht, weil es dann nicht gleiten kann und der Motor in den Wellen jault. Um es kurz zu machen, es wird ein sehr ungemütlicher Tripp und ich bin heil froh als ich Rose Bay erreiche, die See sich glättet und keine Rennsegler mehr um mich rum sind.

Am Dock angekommen lasche ich den Festmacher neu, breite die Wachstuchdecke, die immer an Bord ist, über mich um der Sonne zu entkommen und warte auf die Pami. Die waren unter Segeln natürlich viel langsamer als ich und mussten auch mit der Regatta im Gegenverkehr klar kommen.

Kein Grund sich Sorgen zu machen. Selbstverständlich ist der Käpt’n dem voll und ganz gewachsen, aber wir sind es einfach nicht mehr gewöhnt so getrennt voneinander zu agieren und ich bin ein wenig unruhig. Natürlich kommt sie schließlich ganz friedlich um das letzte Kap gesegelt. Ich beobachte noch, wie die Genua geborgen wird und fahre ihr dann entgegen um, wieder an Bord geklettert, zu helfen den Anker zu setzen.

Außer leicht geröteten Schultern ist nichts passiert, aber ich bin kaputt wie nach einem Marathon. Gut das solche Stunts gewöhnlich nicht an der Tagesordnung sind!

Die letzten paar Tage in Rose Bay sind friedlich. Am Mittwoch speisen wir noch ein letztes, wunderbares Abendessen bei unserem indischen Lieblingsrestaurant Jewel on the Bay und werden herzlich verabschiedet. Mr Sailorman mit Familie seien die nettesten Gäste des Sommers gewesen. Wir grinsen gerührt und verspeisen glücklich den spendierten Nachtisch.

Donnerstag morgen geht es Anker auf und das Kapitel Sydney schließt sich. Wir wollen weiter nach Norden, um einen günstigen Winkel für die Überfahrt nach Neukaledonien zu haben. Auf zu neuen Abenteuern!

Nich stören! Ich lese!