Fünf Uhr dreißig, die Sonne geht auf. Der Wind hält sich an die Vorhersage, wir machen gute Fahrt. Die hohe lange Ozeanwelle kommt fast von Achtern und macht überhaupt keine Probleme, aber die kleine, konfuse Windsee oben auf, haut immer wieder laut und gemein vor die Rümpfe. Wohl dem, der einen tiefen Schlaf hat.
Nachdem am Anfang alle mit Seekrankheit zu kämpfen hatten, sind den meisten mittlerweile Seebeine gewachsen. Wärmer wird es auch. Ich sitze hier zwar noch in meiner dicken Jacke, aber das wird schon.
Der absolute Kracher ist vorgestern passiert. Im wahrsten Sinne des Wortes!
JD und ich stehen drinnen, als die Crew von oben plötzlich „Jan! Jan!!!“ schreit. Wir starten uns kurz erschreckt an und bevor wir noch durch die Tür sind, gibt es einen heftigen Rums, der das ganze Schiff erschüttert!
Wir haben tatsächlich einen Wal gerammt. Unfassbar! Ich hatte sowas immer für Seemannsgarn gehalten – von wegen!
Das Boot läuft ruhig und ganz normal auf Kurs weiter. Also keine gravierenden Schäden. Wir flitzen sofort zum backbord Bug, wo wir ihn erwischt haben. Hier ist von oben überhaupt nichts zu sehen, auch nicht wenn der Rumpf weit aus dem Wasser kommt. Auch von drinnen ist nichts zu sehen. Gut. Es fühlte sich auch eher so an, als wären wir auf einen riesigen Fender geknallt, nicht wie ein solides Hindernis.
Der Wal taucht nicht mehr auf. Wir sehen nur noch einen Fleck verwirbeltes Wasser hinter uns entschwinden. Hoffen wir mal, dass er mit einer kleinen Beule davon gekommen ist, der arme Kerl!
Micky hat übrigens Sekunden vorher gesehen, wir er backbord auftauchte und an der Oberfläche genau in unseren Kurs geschwommen ist. Wir haben ihn wohl auch nicht seitlich gerammt, sondern von oben touchiert, als der Bug nach einer Welle wieder runter gekommen ist. Das war vermutlich Glück für uns und für ihn. Der Rumpf ist einfach drüber gerutscht, bis er abtauchen konnte.
Mich wundert ja, dass das überhaupt passiert ist. Warum hat er uns wohl nicht bemerkt? In den Geschichten ist immer die Reden von Walen, die schlafend an der Oberfläche gedümpelt sind, wenn es zu einer Kollision kam. Unserer war aber eindeutig wach! Wir werden es wohl nie erfahren und hoffen auch, dass uns so etwas nie wieder passiert!

Letztes Etmal: 175 nm
Noch 310 nm bis zum Pass.
Sehr geehrte Crew,
das (s.u.) passierte hier. Da haben Sie wohl Glück gehabt.
Und falls noch nicht bekannt: Der Weltumsegler Wilfried Erdmann verstarb.
Freundliche Grüße
Ihr immer interessierter Blogleser
https://www.spiegel.de/wissenschaft/spanien-der-grosse-nahm-immer-wieder-anlauf-und-rammte-das-schiff-mit-voller-wucht-a-53b6bf97-9df9-40ab-a223-0d9fb70ea4e8?sara_ref=re-so-app-sh
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